Laos hält einen traurigen Rekord. Es ist das meist bombardierteste Land der Welt. 271 Millionen sogenannte Cluster-Bomben, die ihren Zweck darin haben, auf brutalste Weise die Zivilbevölkerung zu treffen, fielen zwischen 1965 und 1973 vom Himmel. Der geheime Krieg der CIA gegen die Gefahr, Laos als Pufferland an den Kommunismus zu verlieren, wirkt wie die launische Aktion eines korrupten Polizisten. Laos galt laut Genfer Konvention als neutral. Dennoch hagelte etwa eine Tonne an Sprengkörpern pro Einwohner auf die Gebiete im Osten des Landes. Eine Tonne pro Einwohner!!!! Es ist ungeklärt, wie viele Menschen in dieser Zeit ums Leben kamen, Schätzungen liegen bei einer halben Million. Und der Täter stand zwar wegen des Vietnamkrieges am Pranger der internationalen Medien, der Konflikt in Laos fand dagegen nie öffentlich statt. Genauso wenig wie die Konflikte mit Laos und Vietnam im gymnasialen Geschichtsunterricht Platz fanden, wo der Lehrplan mit unbedeutsamen Keilereien á la Issos gefüllt war. Die USA wurden in Laos zu Kriegsverbrechern, schuldig ein neutrales Land attackiert und vorwiegend Angriffe auf dessen Zivilbevölkerung geflogen zu haben.


Die grausame Bedeutung der Bomben geht weiter, und sie wird auf Jahrzehnte schreckliche Auswirkungen haben. Schätzungsweise 30% der Cluster-Bomben explodierten nicht und liegen in weiten Teilen des Landes auf Flächen verstreut, die zum Anbau von Reis genutzt werden oder genutzt werden könnten. Wenn Straßen gebaut werden, wenn Familien Häuser bauen, wenn Kinder spielen, wenn Nutzvieh grast, immer wenn ein Mensch einen Schritt auf unbefestigten Boden macht, oder dieser Boden bewegt wird, dann besteht die Gefahr einer Explosion. Explodierende Clusterbomben reißen Leiber zu Stücken. Was übrig bleibt, rührt sich entweder garnicht mehr, oder ist grausam verstümmelt. Ein Schicksal, das nicht wenige trifft, und ein Schicksal, welches ein Land wie Laos nicht verhindern kann. Wirtschaftswachstum ist schwer möglich, wenn weite Teile des Landes nicht für die Landwirtschaft nutzbar sind, wenn Infrastrukturprojekte durch Bombendetektion und –Entfernung erschwert werden, wenn die Angst bei jedem Schritt und jedem Spatenstich vorherrscht.


Im COPE Center in Vientiane wird anschaulich gezeigt, wie Laos vom Konflikt getroffen wurde, und wie zurzeit daran gearbeitet wird, die UXO (unexploded ordnance) zu entfernen, sowie den Opfern zu helfen. Nicht alle touristischen Erlebnisse sind schön. Manche Erfahrungen sind eher schockierend. Sie unterbrechen die Leichtigkeit des Reisens, die Freiheit der Gedanken, welche dann vermehrt darum kreisen, warum wir Menschen es seit Anbeginn nicht schaffen, friedfertig miteinander umzugehen. Nachdenklich und traurig, kritisch und verachtend sinniert man über die Geschehnisse. Warum kann eine Weltmacht wie die USA ein armes Land wie Laos nicht mit anderen Mitteln zur demokratischen Ordnung lotsen, als mit 600.000 Bombermissionen. Über den Zeitraum des Krieges gerechnet, hob durchschnittlich alle 8 Minuten ein Flugzeug mit tödlicher Fracht ab.


2012 besuchte Hillary Clinton Vientiane und machte auch im COPE Center Zwischenstopp. Bleibt zu hoffen, dass sie ähnliche Schlussfolgerungen zog wie ich, und dass die USA ihre als Spenden deklarierten Zahlungen in Höhe von lächerlichen 9 Millionen Dollar deutlich aufstocken, und diese als Reparationszahlungen deklarieren, auch wenn dies utopisch klingen mag. Spricht es nicht von Größe, wenn man seine Schuld und seine Fehler gesteht. Nun wo Laos die Planwirtschaft lange hinter sich gelassen hat, wo es auch hier an jeder Ecke Coca-Cola zu trinken gibt, steht dem eigentlich keine große ideologische Barriere mehr im Weg. Die Menschen hier hätten es verdient, sie sind freundlich und nett, nicht auf so extrovertierte Weise wie in Thailand, eher zurückhaltend und schüchtern, aber ein Lächeln liegt auch den Laoten immer im Gesicht. Bewundernswert bei der Armut und der Geschichte dieses kleinen Landes.


In zwei Tagen fliege ich über die Gebiete, die es am schlimmsten traf. Vielleicht erlaubt ein klarer Himmel Blicke auf das saftige Grün der tropischen Wälder und das gelbliche Grün der Reisfelder um die Erntezeit. Ich werde hinunter schauen, genauso wie damals die Bomberpiloten. Sie mussten bei jedem Knopfdruck wissen, dass sie nicht auf militärische Ziele feuern, sondern auf kleine Dörfer, auf Frauen und Kinder, auf Hühner und Reis. Halleluja!