Mit lautem Scheppern rollt der Bus über die Rampe auf eine von vier kleinen Fähren, die beide Mekong Seiten miteinander verbinden. Seit Vientiane habe ich den gewaltigen Fluß nicht mehr gesehen, und er hat sich verändert. Er ist breiter und ruhiger, majestätisch fließt er langsam durch die weite kambodschanische Tiefebene, und eine Vielzahl an Lastkähnen schiebt sich stromauf- und stromabwärts.


Vietnam liegt hinter und Phnom Penh vor mir, samt einer Menge an Erwartungen verschiedener Natur. In den vergangenen Tagen habe ich den Thriller “Zero Hour in Phnom Penh” von Christopher G. Moore verschlungen. Ein Meisterwerk. Kriminalistisch auch, aber vor allem integriert die Handlung einen Großteil des Grauens, der Kambodscha während und nach der Schreckensherrschaft Pol Pots in den Siebzigern geprägt hat. Lesenswert, für Leute mit starken Nerven.


Einen Tag später bin ich im Folterknast S-21 in Phnom Penh und kann mit eigenen Augen in die fotografierten Gesichter der damals Inhaftierten schauen. 20.000 wurden hier mit ähnlichen Methoden verhört, wie es gerade im vieldiskutierten CIA Bericht beschrieben wurde. Geschichte widerholt sich leider immer wieder. Sieben Personen verließen S-21 lebend. Die anderen gehören zu den geschätzten 2 Millionen Menschen, die bei Pol Pots konfuser Interpretation des Kommunismus und dem von ihm veranlassten Auto-Genozid das Leben ließen. Nicht weit von hier kann man auch eines von über 300 “Killing Fields” (Massengräber) bestaunen. Ich lasse dies, mir reicht der Gang durchs Gefängnis, eine ehemalige Schule, die jetzt zum Museum und zum anschauliches Symbol der brutalen Grausamkeit wurde. Dennoch hat mich das Buch mehr ergriffen. Die recht emotionslosen Gesichter der Inhaftierten bei Haftbeginn, sowie die leeren Zellen lassen nur erahnen, wie es damals zuging. Dem wahren Schrecken ist man eher auf der Spur, wenn man sich ihm durch entsprechende Filme und Bücher nähert. Das Biest Pol Pot spielte in einer Liga mit Adolf Hitler und Joseph Stalin, keine Frage. Um das volle Ausmaß seiner absurden Herrschaft zu realisieren, braucht man verschiedene Angriffspunkte.


Ich sitze am Pool des Laneway Hotels, frischer Ananassaft in meinem Glas, tippe diese Zeilen und freue mich über den Fortschritt dieser Stadt in den letzten zwanzig Jahren. Das Chaos, die Zerstörung und Unsicherheit der Leute, wie in “Zero Hour in Phnom Penh” zu Beginn der Neunziger beschrieben, als die UN Truppen versuchten, hier für Ordnung zu sorgen, all dies sieht man nicht mehr. Jetzt ist es eine typische asiatische Stadt, nicht zu groß, nicht zu klein, ein wenig Dreck hier und dort, aber auch überseht von Restaurants, Rooftop-Bars, Hotels und Tuk-Tuks. Der Mekong, der Palast, die Tempel, und Menschen, die an diesen Orten herumschlendern. Die “Khmer” sind freundlich und man sieht keine Spur von all dem was war. Dies fordert den allergrößten Respekt. Was wird hier sein, wenn sich Phnom Penh und Kambodscha weitere zehn, zwanzig Jahre ohne Gewaltherrschaft entwickeln dürfen? Ich bin gespannt.


Genauso gespannt bin ich auf die bevorstehenden Schönheiten des Landes. Morgen geht es gen Süden an den Strand, vielleicht ein wenig Tauchen, oder einfach die Beine hochlegen und Fünfe gerade sein lassen. Danach dann zum kulturellen Höhepunkt Südostasiens, Angkor Wat, der größten religiösen Stätte der Welt.


Dieses Land hat soviel Schönes zu bieten. Umso trauriger, dass all dies für so lange Zeit nicht mit dem Land verbunden wurde, dass stattdessen Horror in Perfektion über die Menschen hereinbrach. Ich bin froh hier zu sein, ich freue mich über junge Menschen, die hier ganz normal zur Schule gehen, die lachen und schreien und spielen und einfach ganz normal leben. Sie haben wieder die Möglichkeit, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es möchten. Natürlich ist Kambodscha immer noch eins der ärmsten Länder der Welt. Natürlich ist nicht alles gut. Aber…. Aber!!!