Was bin ich? Ein Weichei, das aufgrund fehlender Abwehrkräfte jede erdenkliche Krankheit mitnimmt, die einen Reisenden befallen kann? Oder einfach nur ein großer Unglücksmagnet, der jedes Unheil anzieht, das sich ihm bietet? Zugegeben, ab und zu stelle ich mir solche Fragen. Zum Beispiel wenn ich im Krankenhaus von Cartagena am Tropf liege und eine Dreiviertelstunde warten muss, bis mich die Krankenschwester endlich abstöpselt. Vorger ging es nicht, weil ja Schichtwechsel war.


Wie konnte es so weit kommen? Ich denke, Torge meinte es nur gut mit mir, als er zu mir sagte, dass er mich des Abends ins Hardrock Cafe einladen würde, um mit ihm in seinen Geburtstag reinzufeiern. Das Essen war geschmacklich auch allererste Sahne. Es gab Steak, einen BBQ Cheeseburger, Brownies mit Eis und natürlich den ein oder anderen Cocktail. In zwei weiteren Kneipen wurden noch mal Cuba libres nachgelegt und und nach einem Schlummerbierchen im Hostel mit zwei Argentiniern und unserer Hostel-Fee Yina ging es glückselig in die Koje.


Doch dann kam das bittere Erwachen am nächsten Morgen. Zunächst dachte ich, mich hätte ein stinknormaler Kater befallen, doch als unkontrollierte Schweißausbrüche, heftiger Durchfall und Erbrechen hinzukamen, wusste ich, dass es kein ganz normaler Tag werden würde. Bis zum Abend vegetierte ich so vor mich hin, bis ich mich schließlich aufgrund von hohem Fieber und fehlender Mineralstoffe (“Ich sach nur Elektrolyte.”) nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Torge begleitete mich zum Krankenhaus, der Arzt diagnostizierte eine Lebensmittelvergiftung, die höchstwahrscheinlich vom Wasser kam, mit dem der Salat gewaschen wurde und verpasste mir mein Abendessen in Form einer Kochsalzlösung. Grundsätzlich bin ich ja eher ein Freund des Kartoffelchips (jetzt beim Schreiben gerade in der köstlichen Pringles Jalapeno Variante), aber in dem Falle war die Flüssignahrung wohl die bessere Alternative.


Kurzum, ich brauchte noch zwei Tage, um mich auszukurieren und konnte mit Torge nicht am nächsten Tag das Segelboot gen Panama besteigen. Glücklicherweise hatte der Captain Fabian ein Einsehen und gab mir die bereits gezahlten 800.000 kolumbianischen Pesos zurück. Ich heuerte wenig später bei meinem neuen französischen Captain David an und sollte Torge zwei Tage später folgen. Doch was wäre Chris, wenn er sich nicht noch mal vor seiner Abreise aus Kolumbien abzocken lassen würde? So geschah es, dass ich schon mit der kompletten Crew und meinem Gepäck auf dem Boot war, David aber noch mal angepaddelt kam und zu mir meinte, es gäbe da noch ein kleines Problemchen. Da sei ein Mann vom Migrationsamt und dieser wolle meinen Pass nur rausrücken, wenn ich ihm 50.000 Pesos (ca. 25 Euro) geben würde. Schließlich hätte er durch meine Stempelannulierung, die zwei Tage vorher aufgrund meiner Krankheit stattgefunden hatte, Mehrarbeit gehabt. Ich bin also wieder an Land gerudert, treffe auf diesen fetten, schmierigen Typen und habe auch gleich eine lautstarke Auseinandersetzung mit ihm. Zunächst einmal war mir überhaupt nicht bewusst, dass alle Kapitäne die Pässe nicht persönlich zum Amt bringen, sondern noch ihre Laufburschen dafür haben. Eine unserer wichtigsten Grundregeln ist, dass wir auf der Reise niemals unsere Pässe aus der Hand geben. In dem Fall haben wir unseren Kapitänen vertraut und sie haben auch darauf bestanden, dass wir ihnen die Pässe aushändigen. Und gleich ist es voll in die Hose gegangen. Ferner teilte ich dem vor mir stehenden Kolumbianer mit, dass die Annulierung ein Geschäft mit einem anderen Kapitän gewesen sei, ich mit ihm alles Finanzielle abgewickelt hätte und man ja die Mehrkosten ihm gegenüber hätte ansprechen können, als der Pass an Fabian zurückgegeben wurde. Die Antwort war lediglich: “That’s the way how it goes in Colombia.” Natürlich stellte er auch noch meine Krankheit in Frage und beleidigte mich als reichen Gringo-Touristen, der Weed rauchend durch die Länder ziehen würde und ja wohl ein bisschen Geld für ihn übrig haben müsste. Als ich schließlich damit drohte, die Polizei einzuschalten, war die nächste Eskalationsstufe erreicht, mir war aber auch klar, dass ich auf diese Art und Weise nicht auf dem Boot mitfahren würde, David dadurch eventuell in Schwiergkeiten bringen würde und ich darüberhinaus auch nicht wissen konnte, auf welcher Seite die Polizei überhaupt stehen würde. Fakt ist jedenfalls, dass ich nun auch weiß, wie es sich anfühlt, wenn man erpresst wird und mir die Wichtigkeit meines Passes noch mal verdeutlicht wurde. Letztlich bezahlte David die geforderten 50.000 Pesos, nachdem ich ihm zugesichert hatte, 20 Dollar davon zu übernehmen. Es fühlte sich extrem beschissen an, aber immerhin war ich wenig später auf der “Tango” in Richtung San Blas Inseln.

Über den vorgefunden Frieden und die paradiesische Strandidylle der San Blas Inseln hat Torge ja bereits das ein oder andere Wort verloren. Ich kann seine Ansichten nur teilen und euch versichern, dass es dort absolut traumhaft ist. Schaut euch die Bilder in seinem Artikel an. Einen kleinen Einblick in das, was wir dort vorgefunden haben, können sie hoffentlich widergeben.


Nun ein paar Worte zu meiner Crew. Sie bestand aus unserem Kapiätn David, der bereits seit sieben Jahren unermüdlich zwischen Panama und Kolumbien hin und her schippert und sich so seinen Lebensunterhalt verdient. Dazu gesellten sich mit Tonia eine hübsche, wie eine Meerjungfrau schwimmende Griechin, mit Stijn ein bärtiger Holländer, der in Bogota 19 Landsmänner zurückgelassen hatte, um mit seinem Indy Jones Hut Zentralamerika zu erkunden, mit Adam ein schwedischer Wikinger, wie er im Buche steht und mit Marcos und Leo ein Vater und Sohn-Gespann aus Brasilien.


Während ich aufgrund der noch abklingenden Lebensmittelvergiftung keinerlei Anlass sah, sonderlich viele Snacks und Alkohol mit an Bord zu nehmen, kam das brasilianische Duo mit einer Schubkarre an und hatte vorm Ablegen bereits die erste Lage Bier weggezogen. Mir wurde ziemlich schnell klar, dass ich die Partycrew erwischt hatte.


Doch zunächst stand eine 40-stündige Überfahrt zu den San Blas Inseln an und alle schauderten vor der möglicherweise einsetzenden Seekrankheit. Und die ließ auch nicht lange auf sich warten und machte sich bei jedem Einzelnen von uns unterschiedlich bemerkbar. Am schlimmsten hatte es wohl Stijn erwischt, so dass er kurzzeitig sogar die Fische fütterte. Ansonsten wurden viele Pillen gegen Seekrankheit genommen, die vermutlich auch geholfen haben, gleichzeitig aber auch dazu führten, dass man extrem schläfrig wurde und ein Großteil der Crew 40 Stunden lang mehr oder weniger durchgeschlafen hat. Mir ging es an Deck blendend und auch mit dem Schlafen unter Deck hatte ich keinerlei Probleme. Doch sobald ich mich unter Deck irgendwie bewegt habe – zum Beispiel beim Toilettengang – wurde ich kreidebleich, fing an zu Schwitzen und es befiel mich ein sehr unschönes Schwindelgefühl. Daraus zieht man seine Konsequenzen und lässt auf Hoher See erst mal Andere abwaschen…


In der zweiten Nacht erreichten wir das San Blas Achipel, warfen den Anker aus und noch vorm Frühstück konnte ich in das klarste Meerwasser springen, das ich jemals gesehen habe. Mit Schwimmerei, Sonnenbaden, Essen und Trinken und ein wenig Inselhopping ging der Tag verdammt schnell vorbei und es wurden die Vorbereitungen für das abendliche Grillen auf einer der Inseln getroffen. Während die Anderen das Paddelboot zum Ufer nahmen, entschied ich mich zu schwimmen. Adam schlief in seiner Koje und zu dem Zeitpunkt fanden wir es irgendwie witzig, ihn nicht zu wecken, sondern einfach abzuhauen. Eine halbe Stunde später bin ich dann aber doch zu ihm hin gerudert, um ihn abzuholen. Er versicherte mir, dass er uns nicht böse sei, wollte aber an Bord bleiben. Auch Stijns Versuch, Adam auf die Insel zu holen, scheiterte. Und ab diesem Moment änderte Adam sein Verhalten komplett. Er verbarrikadierte sich bis zum Ende der Reise in seiner Koje und verließ sie maximal, um auf Toilette zu gehen oder einen Happen zu Essen. Er redete nur das Nötigste mit uns und bekam vom Paradies um ihn herum so gut wie nichts mit. So etwas habe ich noch nicht erlebt und alle Anderen hat es genau so sprachlos gemacht wie mich.


Der Rest der Gruppe war allerdings richtig gut drauf und nachdem Leo und Marcos einen ziemlich fetten Hummer von den einheimischen Kunas für 35 Dollar ersteigert hatten, konnte die Grillparty losgehen. Nach ein paar Flaschen Bier, Sekt, Rum, Whiskey und Wein konnte ich den Rest der Crew auch endlich von meiner Kokosnuss-Phobie überzeugen. Denn immerhin kommen jährlich 150 Menschen durch herabfallende Kokosnüsse ums Leben. Folglich haben wir uns erst mal umgesetzt und die Zelte umgestellt.

Zu fortgeschrittener Stunde errichteten die Pyromanen aus unserer Gruppe ein gewaltiges Feuer aus Palmenblättern und es wurde mit sehr eigenwilligen Tanzkreationen herumgehüpft, bis sich unser Captain dazu entschied, in den Rumpelstilzchen-Modus zu wechseln, in den Palmenwald sprang und nicht mehr gesichtet wurde. Er hatte zwar kurz zuvor jedwede Verantortung abgegeben (“Ich bin nur auf dem Schiff der Kapitän – nicht an Land.”), trotzdem hatte ich das Problem, dass ich mit ihm zum Segelschiff zurück paddeln wollte, wohingegen die restlichen Verbliebenene in Zelten auf der Insel schlafen wollten. Da es aber aussichtlos war, David auf der Insel im Dunkeln wiederzufinden, beschloss ich, alleine zum Boot zu fahren. Am nächsten Morgen fand sich unser wichtigster Mann am Strand wieder ein. Vor seinem ersten Kaffee war er sowieso immer etwas wortkarg, doch an diesem Morgen bekam ich auf die Frage, wo er denn genächtigt hätte, gar keine Antwort. Später sollte sich herausstellen, dass er es auch gar nicht mehr wusste.


Auch am folgenden Tag war die brasilianische Feierfraktion wieder äußerst aktiv und auch Holland mischte ordentlich mit. Ich zog mich ab einem gewissen Zeitpunkt unter Deck zurück, doch manchmal ist es schwer, Schlaf zu finden, wenn sich ein Holländer und ein Brasilianer mit simulierten Motorengeräsuchen auf den Weg zur Venus machen und sich vor der Venusgöttin, die in diesem Falle von Tonia verkörpert wurde, ausziehen, um dafür 80 Frauen von ihr geschenkt zu bekommen. Der Höhepunkt war erreicht, als Leo mitten in der Nacht das Deck schrubben wollte und unseren Putzeimer im Meer untergingen ließ. So weit der lustige Teil. David und ich wurden nur kurzfristig etwas ungeduldig, da die Partyfraktion es nicht zustande gebracht hatte, am Vorabend die Saufrechnung von 50 Dollar auf der Insel zu bezahlen und sich unsere Abfahrt um 6 Uhr morgens um eine halbe Stunde verzögerte. Glücklicherweise blieb die Verspätung ohne Folgen, denn wir erreichten das Festland pünklich. Eine Verspätung hätte bedeutet, dass wir für 2 Tage in Puerto Lindo hätten verweilen müssen, da das Passamt mittwochs geschlossen ist. Und in dem Ort gibt es wirklich nicht viel zu entdecken. Außerdem wollte ich mich ja schnellstmöglich mit Torge wieder vereinen.


In Puerto Lindo angekommen wollte die Feierei immer noch kein Ende nehmen. Im Restaurant lernten wir eine andere Bootsbesatzung kennen und nach der Kennenlernphase ging es in einer großen Multi-Kulti-Gruppe in ein wunderschönes Häuslein, das ein Däne einen Tag zuvor übernommen hatte. Wir waren sozusagen seine ersten Gäste, brachten zwei Kästen Bier mit und wurden sogar zu später Stunde noch mit Fischsuppe versorgt. Es war ein gelungener Abschluss einer schönen Segeltour, die ich sicherlich nicht so schnell vergessen werde.


Einen Tag später ging es mit in den USA aussortierten Schulbussen weiter nach Panama City. In Colon, der angeblich gefährlichsten Stadt Panamas musste ich umsteigen…und…es ist nichts passiert!


In Panama City war die Freude groß, als ich meinen Reisegefährten im Hostel auf der Fernsehcouch entdeckte. Wir gönnten uns eine Cola und ein Snickers und waren endlich wieder reunited.


Weitere Geschichten aus Panama werden folgen. Ich bin jetzt erst mal des Schreibens müde. Bis zum nächsten Mal, meine Freunde.


//Chris