Ha! Es war wieder viel los in der happylattitudes-Welt.


Nachdem mich auf der zähen, mühseligen Busfahrt von Ushuaia nach Puerto Natales ein böswilliger Killervirus dahingerafft hatte und ich 48 Stunden durchschlafen musste, war ich schnell wieder fit genug, um den Kampf gegen die Natur aufzunehmen. Es stand eine viertägige Wanderung im patagonischen Nationalpark Torres del Paine an. Die Betonung liegt hierbei auf “viertägig”, denn wir wären sehr gerne die übliche fünftägige “W”-Runde gelaufen. Allerdings war vor ca. vier Wochen ein israelischer Tourist der Meinung, sein benutztes Klopapier im Park verbrennen zu müssen. Diese zündende Idee verursachte dann mal eben einen kleinen Waldbrand und zerstörte sieben Porzent der gesamten Parkfläche. Wie wir hörten, wurde darüber auch in den deutschen Nachrichten berichtet – sicherlich zurecht, denn wie kann man nur einen der schönsten Orte der Welt, der zugleich UNESCO-Weltkulturerbe ist, so sträflich behandeln? Wie ihr euch bestimmt denken könnt, hat der Verursacher sowohl bei den Einheimischen als auch bei den in Patagonien befindlichen Touristen zur Zeit keine sonderlich gute Reputation. Angeblich hat dies auch die israelische Regierung erkannt und Chile angeboten, in Gewächshäusern Bäume zu züchten und diese dann im Park neu einzupflanzen. Was an der Geschichte jetzt aber stimmt und was nicht, das gilt es noch herauszufinden.


Jedenfalls waren wir froh, dass der Park zumindest zu großen Teilen für Touristen geöffnet war und so galt es Proviant einzukaufen und die Abmarschbereitschaft herzustellen. Auch den gescheiterten Tramp-Versuch in El Chaltén wollten wir nicht auf uns sitzen lassen. Wir wehrten also alle Versuche unserer Hostel-Mutti ab, uns ein Busticket in den Park zu verkaufen, informierten uns auf www.hitchwiki.org, wo in Puerto Natales der beste Mitnehm-Punkt ist, bemalten mit dem neu gekauften Super-Edding 500.000 unser Pappschild und nach läppischen 30 Minuten hielt ein chilenisches Pärchen und nahm uns mit nach Torres del Paine. Easy! Selbst im Park sparten wir Geld, indem wir uns noch mal von einem brasilianischen Pärchen mitnehmen und den Touri-Abzockerbus links liegen ließen. Mittlwerweile sind wir – wir ihr seht – in der Welt des Trampens angekommen, auch wenn wir heute Vormittag einen Rückschlag hinnehmen mussten und uns nun ein Bus von Puerto Natales nach Punta Arenas bringt.


Sparfüchse haben gelegentlich auch mal Glück. So sparten wir nicht nur Unsummen an Transportkosten, sondern zahlten für einen Zeltplatz lediglich unglaubliche 9.000 chilenische Pesos anstatt der üblichen 24.000 für zwei Nächte und für zwei Personen. Wie konnte das passieren? Genau, man zahlt erst mal gar nicht und wenn der Kontrolleur im Dunkeln ans Zelt kommt, kann er die Scheine nicht mehr auseinanderhalten und gibt zu viel Wechselgeld raus. Der Ein oder Andere von euch mag jetzt vielleicht mit dem moralischen Zeigefinger rumfuchteln, aber würde derjenige es auch tun, wenn er weiß, dass der Parkeintritt für Chilenen 4.000 Pesos beträgt und für alle anderen Erdenbürger 15.000?


Am zweiten Wandertag konnten wir unsere Zelt samt Gepäck am Zeltplatz stehen lassen, da es in das sackgassenähnliche Valle francés ging. Rein, raus, fertig, aus die Maus! In der Theorie recht einfach. Doch in der Praxis peitschte einem der Wind die Regentropfen ins Gesicht und alsbald war auch die letzte Faser der Unterhose durchnässt. Da bot es sich an, die auf halber Strecke befindliche Schutzhütte als Unterschlupf zu nutzen und im gebotenen Windschutz neben 20 anderen Touris die mitgebrachte Schoki zu mampfen. Es war wie in einer Bushaltestelle. Nur der Bus kam nicht.


Da das Warten einen im Leben auch nicht weiterbringt, musste eine schwerwiegende Entscheidung getroffen werden: Geht man weiter rauf ins Tal oder runter zum Zeltplatz und lässt es sich bei einer Tasse Heißer Schokolade im Refugio gut gehen. Hier waren sich die beiden Protagonisten ungewohnterweise einmal uneinig. Torge wählte Variante 2, ich zog weiter durch bis zum Aussichtspunkt am Ende des Tals. Wie sich wenig später herausstellte, hatte Torge intuitiv richtig gehandelt. Aus dem angedachten Kakao wurde zwar nichts, aber er kam gerade noch rechtzeitig, um unser Zelt samt Hab und Gut vor Schlimmerem zu bewahren. Die Zeltstange hatte es aufgrund des Sturms schon umgehauen, das Außenzelt wehte im Wind und der Regen konnte an einigen Stellen bis zu so sensiblen Gegenständen wie unseren Schlafsäcken vordringen. Der Schaden hielt sich somit in Grenzen und Torge wurde einmal mehr in seiner Meinung bestätigt, dass wir ein absolutes Super-Zelt haben. Denn die neben uns aufgebauten Sturm-, Tunnel-, Kuppel-, Sonstwas-Hightech-Zelte wirbelten entweder in der Luft herum oder es waren die Zeltstangen gebrochen. Den Wind sollte ich auch noch bitterlich zu spüren bekommen, als ich mich dem Camp am späten Nachmittag näherte. Windböen von weit mehr als 65 km/h – sprich Windstärke 8 – hoben mich aus den Stiefeln und ließen mich über die Steine stolpern. Und das will bei meiner Gewichtsklasse schon was heißen. Andere Männer überlegten ihre Freundinnen mit Zeltschnüren und Heringen zu sichern. Weggeflogen ist letztlich keine.

Torge hatte während meiner Abwesenheit ganze Arbeit geleistet und das Zelt an anderer, etwas windstillerer Stelle wieder vorbildlich errichtet. Die Zeltschnüre waren mit unaussprechlichen Seglerknoten an 100kg-Steinen befestigt und weitere Steine, die mindestens das Doppelte wogen, lagen im Innenzelt, damit uns das eine Missgeschick kein zweites Mal passieren würde. Tja, man mag es kaum glauben, aber der “Größte Anzunehmende ZeltUnfall” passierte. Als wir vom abendlichen Hüttendinner zum Zelt zurückkehrten, stank es um unser Zelt herum erbärmlich – Duftnote Klärwerk. Vor dem Zelteingang und auf der gegenüberliegenden Seite hatte sich ein bräunlich gefärbter Güllesee gebildet. Ja, richtig. Der Sturm hatte das Abwassersystem der Berghütte zum Überlaufen gebracht und der entstandene Bach hatte nichts Besseres zu tun, als direkt unter unserem Zelt durchzulaufen! Das war im wahrsten Sinne des Wortes scheiße…Wenn wir es von der postiven Seite betrachten, darf nicht unerwähnt bleiben, dass uns das Superzelt auch bei dieser Katastrophe nicht im Stich gelassen hat. Der Zeltboden hielt der toxischen Brühe stand und jegliche Zeltinhalte blieben unversehrt. Sorgen machte eher das Zelt selbst. Kurzerhand wurde es einfach in den angrenzenden Fluss getunkt, ein weiteres Mal im Waschbecken behandelt und erneut am dritten Ort des Tages aufgebaut. Für den weiteren Verlauf der Tour sollte es keine besonderen Vorkommnisse mehr mit dem Zelt geben. Und man brauchte sich im Dunkeln nicht mehr darum sorgen, das Zelt nicht mehr wiederzufinden. Wie heißt es so schön: Immer der Nase nach! Die Hauptreinigung ist für Punta Arenas angesetzt.


Das Highlight im positiven Sinne sollte der morgendliche Aufstieg zu den postkartenberühmten Torres-Spitzen am letzten Wandertag werden. Der Wecker wurde auf 05:30 Uhr Ortszeit programmiert. Dies wäre aber gar nicht nötig gewesen, da sich kurz zuvor unsere beiden englisch-australischen Zeltnachbarinnen gegenseitig lautstark ein paar gehaltvolle Sätze ins Gesich tröteten. Hier die stark verkürzte Version (Originallänge 30 Minuten): “What time is it?”, “It’s five to four. Let’s get up.”, “Say it again.”, “Let’s go!”, “Ok!” Wir wissen bis heute nicht, warum man so früh losgehen musste. Während wir ein bisschen später an der Lagune vor den Felstürmen ankamen, froren sich diverse Wartende bereits ihren Hintern ab. Wir mussten uns nur noch fünf Minuten hinsetzen und schon ging die Sonne auf und tauchte die Felsen für ein paar Sekunden in ein fantastisches rötliches Licht, das nur in den ganz frühen Morgenstunden zu sehen ist. Ein traumhafter Anblick, der jeden dafür gegangenen Schritt belohnt. Schaut euch die Bilder an.


Unerwähnt soll auch nicht bleiben, dass Torge beim morgendlichen Aufstieg umgeknickt ist und sich einen schmerzenden Knöchel zugezogen hat. In der Liste der Wehwehchen, Krankheiten und Verletzungen holt er langsam auf, wobei ich natürlich ganz gut vorgelegt habe. Die anfänglichen Befürchtungen, der Knöchel könnte dick, blau und zu einem ernsthaften Problem werden, lassen sich einen Tag danach glücklicherweise nicht bestätigen. Geholfen hat ihm seiner Meinung nach das gestrige Betäuben mit Alkohol. Ja, ihr habt richtig gehört. Wir sind rückfällig geworden. Nachdem Torge vor zwei Tagen unserer neu gewonnen Freundin Bine noch einen Pisco Sour als Dankeschön für ihre Zeltrettung ausgeschlagen hat und lediglich eine Dose Cola auf ihre Kosten wegsüffelte, konnte er gestern Abend nicht mehr widerstehen. Anlässe gab es ja nun auch wirklich genug: Der Knöchel tat weh, es war Samstag Abend und Werder hatte nur 1:1 gespielt. So saß ich des Abends im Restaurant mit einem bietrinkenden Holländer und zwei Deutschen, die sich Pisco Sour und anschließend im legendären “Ruperto” Mojitos ohne Ende reinkippten. Ich hielt mich an Cola und Ginger Ale bis der Rest der Gruppe der Meinung war, eine Runde mit vier Mojitos bestellen zu müssen. Es kam so wie es kommen musste. Ein Duft feinster Minze zog mir in die Nase und ich konnte nicht mehr widerstehen. Unser Freund, der Alkohol hat uns wieder. 29 Tage waren wir hart. Zwei Tage vor unserem persönlich gesteckten Ziel sind wir gescheitert. Aber für diese Niederlage schämen wir uns nicht. Planungen für Wiederholungen sind schon wieder im Gespräch.


Jetzt schauen wir uns in aller Ruhe in Punta Arenas die Magellanstraße an und finden hoffentlich einen Mc Donald’s, bevor es ab in den Flieger und auf nach Brasilien geht. Bleibt am Ball. Ihr werdet als erstes erfahren, was sich in unserem Leben so tut!


//Chris