Medellin, Cartagena de las Indias, Santa Marta – Was die drei Orte aus der neuen Drei-Wetter-Taft-Werbung sein könnten, waren die letzten Stationen unseres Kolumbienaufenthaltes. Während in Medellin noch kein starkes Haarspray von Nöten war – man nennt sie auch die Stadt des ewigen Frühlings – und das Klima sehr, sehr angenehm war, blies uns in Cartagena und Santa Marta die ein oder andere heftige und ziemlich heiße Windböe ins Gesicht, die einem Fön auf Stufe 5 gleich kam.


Aber zurück zum Anfang. Nachdem wir Bogota mit einem total miserablen Bus verlassen hatten, erreichten wir am nächsten Morgen Medellin, die Stadt, die Anfang der 90er die höchste Mordrate weltweit hatte. Verantwortlich hierfür war ein gewisser Herr Escobar, der aus dieser Stadt stammte, für ein paar Jahre sogar 80 Prozent des weltweiten Kokainhandels inne hatte, zu seiner besten Zeit 1,5 Mio. Dollar täglich verdiente und ein Kopfgeld von 200 Dollar für jeden getöteten Polizisten aussetzte. Diese “hohe” Prämie animierte viele Sicarios (motorradfahrende Slumbewohner, die kurz anhalten, jemanden erschießen und dann weiterfahren) zu dieser Zeit besonders aktiv zu werden, so dass in der Stadt phasenweise bis zu 20 Menschen täglich ermordet wurden.


Allerdings wurde der Urvater des Kokains 1993 von einer kolumbianisch-amerikanischen Spezialeinheit erschossen und seitdem ist in Medellin etwas Ruhe eingekehrt. Mittlerweile hat der Ort sogar viele schöne Partymöglichkeiten zu bieten, so dass wir dort natürlich an einem Wochenende aufschlagen mussten. Die Nacht von Freitag auf Samstag wollte nicht enden und wir wurden auch nicht jünger und so waren wir beide glücklich, als der Andere ebenfalls den Samstag auf der Couch liegend und Pizza essend im TV-Raum des Hostels verbringen wollte.


Empfehlenswert in Medellin ist der botanische Garten, wo man sehr schön relaxen kann. Weniger empfehlenswert ist es, als Nicht-Kolumbianer im Stadtzentrum rumzulaufen. Wenn ich dort alles gekauft hätte, was mir auf aufdringlichste Art und Weise gezeigt und unter die Nase gehalten wurde, wäre ich jetzt stolzer Besitzer von Keksen, Popcorn, einer Sonnenbrille, Zigaretten, Ketten, einer Tasche und irgend welcher Holzschnitzereien. Auch wenn Kolumbien ein Land mit richtig tollen, netten, freundlichen und hilfsbereiten Menschen ist, diese Penetranz der Straßenverkäufer ist einfach nur ätzend.


Ein blühendes Gewerbe Kolumbiens scheint im übrigen die Prostitution zu sein. In einigen Bars sind zum Teil äußerst reizende Damen zu beobachten, wie sie ihrer Arbeit nachgehen, wohingegen in Medellin auf der Straße ausschließlich Frauen stehen, die ihre Blütezeiten definitiv hinter sich haben. Torge hat es so formuliert: “Überleg doch mal! Ende der 80er waren die alle im besten Alter und die Geschäfte florierten. Escobar und sein Medellin-Kartell waren sicherlich gute Kundschaft. Die Drogenhändler sind gegangen, die Frauen sind geblieben.”


Natürlich musste in Medellin auch das einheimische Gericht ausprobiert werden. Ich teilte mir mit Torge eine “bandeja paisa”. Dabei handelt es sich um ein sehr nahrhaftes Gericht und ich weiß gar nicht, ob ich gerade noch alle Zutaten zusammen bekomme. Jedenfalls findet man auf seinem Teller gebratenes Fleisch, Wurst, Spiegelei, Bohnen, Hackfleisch, Salat, Avocado, Käse und gebratene Banane – ein richtiges Männeressen also, das durchaus schmeckt.


Weiter ging es mit einem Bus, der viel zu wenig Beinfreiheit bot, nach Cartagena de las Indias. Diese Stadt war lange Zeit der erste Anlaufpunkt aller spanischen Schiffe, die Waffen, Werkzeuge und Sklaven vorbei brachten und dafür Diamanten, Gold und sonstige nützliche Dinge mitnahmen. Kein Wunder also, dass es in der Stadt Reichtum ohne Ende gab und der ein oder ander Piratenkapitän der Stadt einen kleinen Besuch abstattete. So ließ sich 1586 Sir Francis Drake dort blicken und plünderte und vernichtete die damals noch weitestgehend ungeschützte Stadt fast komplett. Als ehrenhafter Stadtbewohner kann man sich so etwas natürlich nicht bieten lassen und so wurde die nächsten 200 Jahre lang eine Stadtmauer gebaut, die die Stadt uneinnehmbar werden ließ.

Vergewissern konnten wir uns dieser Tatsache bei der Besichtigung des Castillos San Felipe – eine gewaltige Befestigungsanlage, in der uns am allermeisten die langen, dunklen, niedrigen Tunnelgänge und die gewaltigen Kanonen interessierte, die wir gerne einmal abgefeuert hätten.


So beeindruckend es auch ist, durch die Altstadt zu laufen, die noch nahezu so aussieht wie vor ein paar hundert Jahren mit all ihren Kolonialbauten – ein nicht so schönes Erlebnis hat diese Stadt auch noch zu bieten. Für 2.500 Pesos habe ich mir bei einem Straßenverkäufer eine Dose Bier gekauft und gab ihm einem 10.000-Peso-Schein dafür. Der gute Mann meinte, ihm fehle Wechselgeld und fragte die benachbarten Händler, Zuhälter etc. ob sie ihm nicht weiterhelfen könnten. Im selben Moment kam eine Frau, von der man in Medellin sagen würde, dass sie ihre besten Zeiten hinter sich hatte, auf mich zu und verwickelte mich in ein belangloses Gespräch, welches dazu führte, dass ich meinen Verkäufer kurzzeitig aus den Augen ließ. Dieser kam wenig später zurück und verkündete mir, dass ich ihm ja Falschgeld ausgehändigt hätte und dass ich ihm nun einen anderen Schein geben müsse. Vermutlich hätte ich mit ihm eine große Diskussion angefangen, weil mir zu dem Zeitpunkt schon klar war, dass dieser falsche Schein nicht von mir sondern von ihm stammt, aber da sich just in diesem Moment 5 Leute um mich herum versammelten die alle nicht sonderlich vertrauenswürdig aussahen und nicht so aussehen wollten, gab ich dem Herren einen anderen 10.000er und war dann das erste Mal wissentlich im Besitz vom Falschgeld. Mittlerweile habe ich mich wieder beruhigt und ja….den Schein bin ich auch wieder losgeworden…


Weiter ging es nach Santa Marta mit einem ziemlich verrückten Busfahrer, der immer dort überholte, wo es sonst niemand machen würde. Dort übernachteten wir in einem Hostel, das keine Wünsche offen ließ. Passend zu den klimatischen Gegebenheiten nannte es sich “La brisa loca” und neben einem hervorragenden mexikanischen Restaurant im Erdgeschoss befand sich dort ein wunderschöner Pool, eine Dachterasse mit so richtig gemütlichen Hängematten, ein mindestens genau so gemütlicher Fernsehraum, eine Bar mit 5 Stunden Happy Hour täglich. Man musste sich schon sehr genau überlegen, zu welchem Anlass man das Hostel überhaupt verlassen wollte.


Leider zieht ein Land wie Kolumbien auch den ein oder anderen Drogentouristen an. Ein solches Exemplar hatte sich auch in unserem Hostel niedergelassen. Er sah aus, als ob er drei Nächte lang nicht geschlafen hatte, hatte ein extremes Mitteilungsbedürfnis und wenn ihm keiner zuhörte, hängte er sich ein Billarddreieck um den Hals, ließ eine Baseballkeule in seiner Hand schwingen und verletzte sich selbst an irgend welchen Ecken und Kanten. Nachdem er des nachts in seinem Drogenwahn noch irgendwelche Rucksäcke durchwühlt hatte, die ihm nicht gehörten und sein eigener zuerst nicht auffindbar war, wurde er vor die Tür gesetzt. Wir hatten unsere geliebte Ruhe wieder.


Kurzzeitige Aufregung gab es noch mal in der letzten Nacht, als Torge und ich auf der Dachterasse das Leben in unseren schwingenden Hängematten genossen und eine heftige Windböe eine von Torges teuren und geliebten Salomon-Latschen vom Dach blies, die auf einem 10 Meter tiefer gelegenen Dach liegen blieb. Was tun? Die Antwort war schnell gefunden. Zeltschnüre wurden zusammen gebunden, ein Hering verbogen und daran befestigt. Zur leichteren Orientierung in der Dunkelheit haben wir noch eine weiße Kaffeetasse daran gehängt und schwupps hatte Torge mit dem ersten Versuch das Ding am Haken. Er muss nun also nicht wie ein bekannter Glöckner auf einem Schuh durch die Welt humpeln. Der Improvisation sei Dank!


//Chris