Es war an der Zeit, Peru zu verlassen und über Desagraduero – den schnelleren, billigeren, aber unkomfortableren Grenzübergang – in Bolivien einzureisen. Doch zuvor wurden wir noch von peruanischen Grenzbeamten in ein Gebäude gebeten, das Gepäck wurde halbherzig durchsucht und ich befürchtete schon, dass unsere trademybeer.com Whiskeyflasche konfisziert werden würde. Doch es ging alles glatt. Unsere erste Amtshandlung auf bolivianischer Seite war der Geldwechsel. Die verbliebenen peruanischen Soles sollten gegen Bolivianos eingetauscht werden. Vor Ort waren aber Banken oder Wechselstuben Fehlanzeige. Getauscht wird auf offener Straße mit verschiedensten Locals, die in ihren 50 Jahre alten Holztischen ein paar Scheine in verschiedensten Währungen liegen haben. Wir denken, dass wir einen recht vernünftigen Kurs bekommen haben und im nachinein können wir auch behaupten, dass uns kein Falschgeld angedreht wurde.


Sehr viel schlechter verlief hingegen unser Hotelaufenthalt in La Paz. Wir möchten an dieser Stelle alle Reisenden eindringlich vor dem Hotel “Alem” warnen. Als wir am zweiten Tag unseres Aufenhaltes in unser Zimmer zurückkehrten, freuten wir uns zunächst, dass unserZimmer gereinigt wurde. So etwas ist hier nämlich keine Selbstverständlichkeit. Allerdings wurde mir gleich etwas mulmig zumute und ich kontrollierte mein Gepäck auf Vollständigkeit. Kamera, Netbook, Pass, Kreditkarten – alles war an seinem Platz. Doch dann stellte ich fest, dass von den 1.000 Bolivianos, die ich in meinen Rucksack gelegt hatte, 200 Bolivianos fehlten. Ich konnte es im ersten Moment nicht glauben, aber nachdem ich mit Torge 10 Mal durchgerechnet hatte, wie viel wir ausgegeben hatten, stand fest, dass mir das Geld entwendet wurde. Unsere Recherchen ergaben, dass an dem Morgen nur eine Person in unserem Zimmer gewesen sein kann. Und diese Person war Reinigungs- und Rezeptionspersonal zugleich nd stritt natürlich auch alles vehment ab. Der Chef war auch nicht zu erreichen und das Geld für die im voraus bezahlte Nacht wollte uns niemand mehr rausrücken. Da uns zu diesme Zeitpunkt jegliches Vertrauen abhanden gekommen war, packten wir kurz entschlossen unser Gepäck und zogen auf die andere Straßenseite ins Maya Inn. Dort war es ein wenig teurer, aber seitdem war auch niemand mehr an unseren Sachen. Was haben wir daraus gelernt? Wichtige Dokumente und Geld werden noch weiter hinten im Rucksack verstaut, gegebenenfalls mit Schloss gesichert und Reinigungspersonal kommt nur noch in unser Zimmer, wenn wir es wünschen und selber anwesend sind. Achso, der Verlust belief sich auf ca. 20 Euro und wir reden hier von Übernachtungskosten von 4-5 Euro pro Nase. Es war also sehr ärgerlich, aber die Reisekasse wurde glücklicherweise nur geringfügig geschmälert.


La Paz selbst ist eine beeidnruckende Stadt. Die Luft ist oftmals so schlecht wie in vielen zuvor gesehenen peruanischen Städten auch. Allerdings kommt hier noch hinzu, dass sich La Paz auf einer Höhe von 3200 bis 4100m befindet. Die Auswirkungen der Höhenkrankheit machten mir nach wie vor sehr zu schaffen, aber nachdem Torge mir dann noch den Rat gegeben hat, habe ich mir irgend welche rot-weißen Pillen in der nächstbesten Apotheke geholt, und ab diesem Zeitpunkt ging es mir wieder allerbestens. Sorojchi adé sozusagen! Knapp eine Millionen Einwohner hat La Paz und auf den Straßen wuselt es nur so von kleinen Menschen, die Torge und ich um zwei Köpfe überragen. Es scheint hier mehr Verkehrspolizisten als Ampeln zu geben, wobei sowohl Ampeln als auch Polizisten von allen Verkehrsteilnehmern vehement ignoriert werden. Man sollte Polizisten auch nicht unbedingt erzählen, dass man aus Deutschland kommt, denn die unmittelbare Reaktion darauf könnte ein “Heil Hitler!!” auf offener Straße sein…


Natürlich galt es am Samstag Abend, das örtliche Nachtleben zu erkunden. Beginnen sollte der Abend im Reineke Fuchs. Man mag es nicht glauben, aber nach drei Reisewochen sehnt man sich gelegentlich mal wieder nach deutschem Essen. Für vergleichsweise viel Geld (5-6 Euro pro Portion) bestellten wir uns Grillhaxe, Zwiebelrostbraten, Pflaumen im Speckmantel, Brezel und natürlich Bitburger Premium Pils. Der deutsche Besitzer war leider nicht vor Ort, aber wir freundeten und mit der bolivianischen Belegschaft schnell an und spätestens ab dem Zeitpunkt, als wir eine deutsche Party-CD eingelegt und eine Runde Jägermeister für das komplette Restaurant ausgegeben haben (8 Euro), waren wir für alle Anwesenden Amigos. Nach einem kurzen Zwischenstopp in einer “Happy Hour”-Bar landeten wir im berühmt-berüchtigten Mongo’s. Ein Spitzen-Laden, der sich zu später Stunde noch so richtig füllte und in dem bis tief in die Nacht getanzt wurde. Absolut empfehlenswert!


Doch was wäre La Paz ohne ein wenig Pace? Eine der Gründe, weswegen sich ein Aufenthalt in Lap Paz immer lohnt, ist die Tatsache, dass hier die Agenturen ansässig sind, die Mountain Bike Trips auf der Yungas Road anbieten. Es sollte eines der Highlights unserer Reise werden und wir wurden nicht enttäuscht. Wir entschieden uns für einen der billigsten Anbieter und gegen Sicherheit und Hinterrad-Federung. Um 7 Uhr morgens ging es mit ein paar anderen Verrückten und unserem Guide Christian per Minibus auf 4600m hoch, wir zogen unsere Schutzkleidung an und stürzten uns die Straße hinunter. Nach einem Highspeed-Asphalt-Abschnitt ging es anschließend auf die ursprüngliche Yungas Road. Diese Straße hat viele Namen: Camino de los Muertos, Death Road, Todesstraße. Sucht euch was aus. Hier starben jedes Jahr 200-300 Menschen und im Jahr 1994 waren es sogar 400. Daraufhin wurde aus Sicherheitsgründen beschlossen, eine Umgehungsstraße zu bauen, so dass auf der ursprünglichen Straße kaum noch Verkehr herrscht. Nichtsdestotrotz gibt es auch heute noch den ein oder anderen Autounfall und seit 1995 starben hier 14 Mountain Biker und 3 Guides. Zuletzt stürzte im Mai diesen Jahres eine Südkoreanerin mit ihrem Fahrrad 135m in die Tiefe. Angeblich soll dieses Jahr auch ein Argentinier 80m tief gefallen sein und wollte nach seiner Bergung weiter fahren. Aber jede Geschichte muss man seinem Guide dann vielleicht auch nicht glauben. Hauptursachen für die Unfälle sind schlechte Sicht (Nebel), nasser Untergrund, betrunkene oder übermüdete Fahrer sowie überhöhte Geschwindigkeit. Oftmals bietet die Straße einfach nur Platz für ein Fahrzeug, aber es müssen an selbiger Stelle zwei aneinander vorbei. Kurzum: Wer einmal auf dieser Straße gewesen ist, weiß, dass sie ihren Titel zurecht trägt. Achso, um euch die Ängste zu nehmen: Auch wenn ich jetzt der Verfasser dieses Textes bin, Torge hat ebenfalls überlebt. Den Abschluss der Tour feierten wir mit einem kühlen Bier in einem Pool mit all den anderen Death Road-Bezwingern aus den USA, Spanien, Frankreich, Kolumbien und anderen Ländern. Wir beide möchten euch dieses Abenteuer wärmstens empefehlen. Ein Riesenspaß!

Während Torge mit der Touri-Gruppe zurück nach La Paz fuhr, ließ ich mich von unserem Fahrer in der Wildnis absetzen und fuhr für umgerechnet 30 Cent auf der Ladefläche eines Kleinlasters zum nächsten Dorf Coroico. Von dort ging es mit einem Kleinbus weiter in den Nor Yungas Dschungel nach Carmen Pampa. Hier leben ca. 700 Schüler und Studenten, die oftmals aus sehr ärmlichen Verhältnissen kommen und denen durch Spenden ein angenehmeres Leben und eine bessere Zukunft ermöglicht werden kann. Nach einem gemütlichen Thanks Giving Reste-Essen im Haus der “Voluntarios”, also der Freiwilligen-Helfer aus den USA, Deutschland und anderen Ländern, durfte ich am nächsten Morgen um 5 Uhr mit Doctora Wendy und ihrem Chauffeur nach San Pedro aufbrechen. Wendy ist die einzige Ärztin im gesamten Landkreis und betreut ca. 3.000 Menschen (zum Vergleich: fast 5 Allgemeinmediziner/3.000 Einwohner in Deutschland). Hinzu kommt, dass viele der Menschen in extrem unwegsamen Gelände wohnen und somit nur sehr schwer zu erreichen sind. Glücklicherweise besitzt das Gesundheitszentrum seit 4 Jahren ein geländegängiges Fahrzeug, so dass nicht mehr alles zu Fuß zurück gelegt werden muss.


Die Abfahrt begann sogleich mit einem Unfall. Noch auf dem Akademie-Gelände überfuhr der Chauffeuer ein freilaufendes Huhn. Das Knacken der Knochen war unschwer zu überhören. Kurzum wurde der Kadaver in den Ambulanzwagen geschmissen und zwei Kilometer weiter im Gebüsch entsorgt. Auch eine Art und Weise, um den Schadensersatzforderungen des Huhnbesitzers entgegen zu kommen. Wenig später erreichten wir das erste Wohnhaus und ich konnte ein wenig beim Baby-Wiegen und -Messen behilflich sein. Das Impfen habe ich dann doch lieber der Ärztin überlassen. Insgesamt war der Tag und der Einblick in die Arbeit einer Dschungelärztin in Bolivien sehr interessant. In Deutschland wird es nur wenige Ärzte geben, die an Bambus-Sträuchern und Bananenstauden vorbei laufen, um einem Patienten Hustensaft vorbei zu bringen oder um einen der vielen umherstreunenden Hunde gegen Tollwut zu impfen. Vielen Dank für’s Mitnehmen, Wendy!


Als wir des mittags wieder das Gesundheitszentrum von Carmen Pampa erreichten, machte sich Wendy erneut sehr nützlich und verarztete meine Hand. Durch das ständige Bremsen auf der Yungas Road hatte sich bei mir eine kleine Blase gebildet, die einen Tag später nicht mehr ganz so schön aussah (s. Fotos).


Jetzt sitzen Torge und ich gerade in La Paz in einem Café und hoffen, dass wir heute Abend mit dem Nachtbus nach Sucre kommen. Die Tickets sind schon gekauft, aber momentan gibt es landesweit Proteste und Straßenblockaden. Die LKW-Fahrer verlangen bessere Konditionen und Arbeitsbedingungen. Stay tuned, guys!


//Chris