Nach der nächtlichen Fährüberfahrt von Los Mochis nach La Paz stiegen wir erstmalig auf ein ganz anderes Transportmittel um – den Mietwagen.


Auto fahren in Mexiko – geht das überhaupt? Wie macht man das und was gibt es zu beachten? Alles fühlt sich so fremd und wenig geregelt an. Jeder fährt nach Gefühl und selbst die von uns befragten Einheimischen können die Vorfahrtsregeln an Kreuzungen nicht erklären und wissen ebenso wenig, wo die Höchstgeschwindigkeiten inner- und außerorts anzusiedeln sind.

Da waren sie also, die besten Voraussetzungen, um einen 2.000 Kilometer langen Road Trip um das Kap von Baja California anzutreten und über die Carretera 1 bis an die berühmt-berüchtigte Grenze bei Tijuana zu fahren.


Bereits an der Europcar-Mietwagenstation fiel uns das goldene Farbdesign unseres Nissan Sentras auf, das bestenfalls in der Generation 70+ auf Gefallen stoßen würde. Beeindrucken konnte hingegen der Kofferraum, in den wir unsere vier großen Rucksäcke problemlos hinein bekamen und auch für das Handgepäck war noch genügend Platz. Mit dem Mietwagenpreis hatten wir uns schon ein paar Tage vorher abgefunden. Der anfänglich “normale” Preis von 340 Euro für eine Woche schnellte in die Höhe, da wir den Wagen nicht wieder in La Paz abgeben konnten, sondern ihn nach Tijuana bringen mussten. Schwupp, das macht 500 Euro als One Way Fee oben drauf! Glücklicherweise sind wir momentan mit Miriam und Filiz zu Viert unterwegs und konnten so die Kosten gerecht verteilen. Zudem konnte der Nissan jeden Tag andere unnatürlich klingende Fahrgeräusche aufweisen. Daraus folgerten wir, dass das Getriebe, mindestens ein Stoßdämpfer sowie Teile des Unterbodens ziemlich hinüber sein mussten. Aber was soll’s? Da dreht man einfach das Radio lauter, wenn man denn in der Wüste Baja Californias Empfang hat. Hat man nicht! Natürlich hielt Nissan es auch nicht für notwendig, einen Schalter zum Verstellen des Scheinwerferwinkels in das Auto einzubauen. Mit vier Personen und viel Gepäck strahlten wir also bei unseren abendlichen Fahrten den Sternenhimmel und auch die Gesichter der entgegenkommenden Fahrer an, was natürlich die allerheftigsten Lichthupenspiele auslöste.


Erste Fahrversuche wurden in La Paz unternommen und das allgemeine Fahrverhalten der Einheimischen wurde studiert und imitiert. Folgende Regeln konnten wir ausmachen:

Regel 1: Bei einem Schild mit der Aufschrift “Alto” Tempo verlangsamen und gucken, ob aus einer anderen Richtung jemand kommt.

Regel 2: First come, first serve – wer zuerst an der Kreuzung ist, hat Vorfahrt. Ausnahme: Du befindest dich auf einer Hauptverkehrssraße. Diese sind nicht extra markiert. Man erkennt sie an dem Fahrverhalten der Mexikaner, die sich vor einem befinden.

Regel 3: Ampeln sind zu beachten. Ausnahme: Du hast keinen Bock oder biegst rechts ab oder beides.

Regel 4: Durchgezogene Linien sind wie gestrichelte Linien zu betrachten. Überholen geht überall!

Regel 5: 80 km/h in 40 km/h-Zonen zu fahren, gilt als angemessen.


Die größte Gefahr, also die mit Abstand größte Gefahr im mexikanischen Straßenverkehr, schimpft sich “Tope”! Nennt sie Bumper, Huppel oder wie auch immer, manchmal werden sie durch Schilder angekündigt, manchmal aber auch nicht. Sie kommen aus dem Hinterhalt und sind dummerweise so hoch gebaut, dass Pick Ups drüber fahren können. Voll belegte Sentras setzen auch gerne einmal auf. Und bei zügigem Tempo knallen die Insassen auch schon mal gegen das Autodach.


Apropos Autodach – das wird auch ganz gerne mal bei den in Mexiko sehr strengen Kontrollen durch das Militär abgetastet. Während eine Hand voll Soldaten das Fahrzeug und das Gepäck systematisch durchsuchen, darf kein anderer PKW weiterfahren. Lange Wartezeiten sind angesagt. Doch sobald man dem diensthabenden Offizier versichert, dass man nur Tourist ist, der auf den Weg von Kolumbien in die USA ist, um dort ein bisschen Koks möglichst gewinnbringend zu verkaufen und die mitgeführten Aspirin lediglich zur Bekämpfung des allgemein verbreiteten Reisekaters dienen, darf man weiterfahren. Wir haben sehr schnell herausgefunden, dass sich Kontrollzeiten verkürzen lassen, wenn man getragene Unterhosen und Badehosen zum Trocknen auf den Ablagen platziert. Cool, oder?

Aber was haben wir denn nun gesehen in Baja California? Tja, zunächst wären die 1,3 Trillionen Kakteen zu nennen, die in, auf und unter atemberaubenden Canyons wachsen und gedeihen. Dazu nehme man ein paar allerfeinste Staub- und Dreckpartikelchen, die durch die Lüftung geblasen werden, wenn wieder einmal so ein Schleicher in der unasphaltierten Baustelle vor einem fährt. Und Gravel Roads oder Dirt Roads – zu deutsch Schotterpisten – gibt es auf der zweitgrößten Halbinsel der Welt nicht zu knapp. Unser längster Abschnitt führte uns über 80 Kilometer an der südöstlichen Seite von San José los Cabos nach Cabo Pulmo. Während in San José und San Lucas die schönen und reichen US-Amerikaner zwischen wahrscheinlich 20 verschiedenen Golfplätzen wählen können und es sich in typischen amerikanischen Restaurants und Shopping Malls mit Bud Light, Spare Ribs, Rolex und Gucchi gut gehen lassen, kaufen sich die noch besser Betuchten eine absolute Luxusvilla etwas außerhalb an der Schotterpiste. Gärtner und Security-Dienste betreuen die Anwesen und zweimal im Jahr lässt man sich vielleicht mit seiner 500.000 Dollar-Yacht dort blicken.


So führte uns also unser Weg mit durchschnittlich 30 km/h durch die trockene, ausgedörrte Wüste an diesen Traumhäusern vorbei und vor allem die Mädels gaben von der Rückbank lauter “Ooohhs”” und “Aaaahhs” von sich, wenn wir von der Küstenstraße aus wieder eine malerische Bucht mit glasklarem, türkisem Wasser entdeckten. Natürlich wurde ausgiebig gebadet und gesonnt und in dem kleinen Örtchen Cabo Pulmo buchten wir eine Schnorcheltour und konnten an verschiedenen Riffen Seehunde, allerlei Fischgetier, Seesterne und andere Dinge, die wir nicht bennen können, bewundern. Sogar ich habe meine “Ich bekomme durch den Schnorchel keine Luft”-Phobie überwunden und konnte das Unterwasserleben in vollen Zügen genießen. Dumm nur, dass es in unserer Bucht ein ziemlich übles Plankton gab, dass bei Hautkontakt ganz gemein zwickte. Richtig übel wurde es bei Kontakt mit der Lippe. Ihr dürft raten, wer auch zweimal an der Lippe erwischt wurde…jaja.


Der Norden Baja Californias ist weniger sehenswert. Hauptsächlich fährt man dort durch karges Wüstengelände und erreicht am Ende die allseits bekannte Grenzstadt Tijuana. Viele der im Drogenkrieg Ermordeten ließen ihr Leben in dieser Stadt (seit 2006 landesweit 60-80.000). Dies war wahrscheinlich auch ein Grund dafür, dass wir uns dazu entschlossen, in Tijuana nicht auszugehen, sondern lediglich den Mietwagen abzugeben und sofort die Grenze nach San Diego zu überqueren. Was für ein Pech aber auch, dass die Mietwagenstation bei unserer Ankunft nicht besetzt war! Nach einem Telefonat und 30 Minuten später ließ sich dann endlich jemand blicken und aufgrund der entstandenen Unannehmlichkeiten konnten wir aushandeln, dass uns das Personal noch mit dem Auto zur Grenze brachte. Dort standen leider schon 800 Mexikaner vor uns in der Warteschlange, so dass wir einschließlich der Befragungszeit im amerikanischen Immigration Office (“Wie kann man sich so eine Weltreise eigentlich leisten?”) drei Stunden brauchten, um den größten Grenzübergang der Welt zu meistern.


Und da waren wir – in der Neuen Welt, in der Hochzivilisation, in San Diego! Alles war hier anders, nicht zuletzt die Sprache. Nach fast sieben Monaten Spanisch mussten auf einmal englische Vokabeln ausgepackt werden. Und so schimm ist es ja nicht, wenn das ein oder andere “si” oder “gracias” herausrutscht. Unser Kalifornien-Artikel folgt in Kürze.


//Chris